Wozu nur Petrischalen und Agar? Anders gehts viel leichter.

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Till
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Wozu nur Petrischalen und Agar? Anders gehts viel leichter.

Beitrag von Till » Montag, 03. März 2008 11:22

Hallo liebe Pilzfreunde,

ich habe mich am Wochenende erst hier angemeldet und bin eigentlich auch noch ein ziemlicher Neuling auf dem Gebiet. Erst im Spätherbst 2007 habe ich angefangen Pilze zu züchten. Geerntet habe ich auch noch nichts Bemerkenswertes, aber schon sehr erfolgreich Myzel von verschiedenen Pilzen durch Klonen und durch Sporen gezüchtet.
Eine Frage kam mir immer wieder: Warum sprechen hier alle davon, dass die Vermehrung von Pilzen so schwierig sein soll?! Ich kann das nicht nachvollziehen. Die meisten hier scheinen mit Agar-Agar und Petrischalen zu operieren und immer wieder habe ich auch sonst wo im Internet gelesen, dass man super steril arbeiten müsse oder gar noch sterile Räume brauche. Also meine Versuche bestätigen das nur sehr bedingt und meine Erfolgquote lag bei 100%.
Erst habe ich mir den Rat von verschiedenen Internetforen zu Herzen genommen und wollte mir Petrischalen und Agar-Agar in der Apotheke kaufen. Aber da die Sachen dort ein Vermögen kosteten und ich auch keine Geduld hatte mir welche im Internet zu bestellen, habe ich es mal einfacher probiert. Hier meine Ergebnisse.
Zunächst habe ich festgestellt, dass gekaufte Austernpilze schon im Kühlschrank reichlich Myzel austreiben, wenn sie nur ein paar Tage alt sind. Also habe ich einfach Stücke von Austernpilzen mit der Oberseite (!) oder mit ihren Verletzungen auf die Schnittfläche von Baumstämmen gelegt und Folie drüber gespannt. Bei Zimmertemperatur treiben sie binnen wenigen Tagen ein sehr kräftiges Myzel ins Holz, dass gewöhnlich auch schnell die ganze Schnittfläche vom Stamm bedeckt. Wenn sich zusätzlich auch etwas Schimmel bildet, was aber meist gar nicht passiert, ist das nicht schlimm. Sobald der Austernpilz in den Baumstamm eingewachsen ist (also nach zwei Tagen), kann ihm nichts mehr passieren. Jedenfalls wuchs auch in solchen Fällen das Myzel mit ca. 1cm / Tag durch den Stamm und kam schließlich sehr kräfig am anderen Ende des Stammes wieder raus.
Das gleiche Verfahren funktionierte auch beim Gelbstieligen Muschelseitling (Panellus serotinus), dort braucht es jedoch etwas mehr Glück, da der Pilz nur zögerlich Myzel austreibt und der Schimmel zu dem Zeitpunkt schnell schon mal auf dem Plan sein kann. Ich dachte auch erst, dass die Sache daneben gegangen wäre. Aber später fand ich, dass in dem Stammstück ein sehr kräftiges Myzel wuchs. Es hat zwar noch nicht gefruchtet, scheint aber zu dem Pilz zu gehören (vom Wuchsverhalten und von der Farbe her).
Nachdem ich mit diesem Primitivverfahren bei Austernpilzen Erfolg hatte, habe ich es auch mit Shitake versucht. Das klappte allerdings nicht, da Shitakestücke zu lange brauchen, um an das Ausbilden von Myzel zu denken. Sie verschimmeln vorher. Also habe ich ein bißchen steriler gearbeitet. Ich habe Sägespäne (zuerst sogar Kleintierstreu, also Nadelholz!) in ein Marmeladenglas gefüllt und im Schnellkochtopf ca. 40 min gekocht. Dann abkühlen gelassen (wobei natürlich unweigerlich Luft eindringt). Dann habe ich ein normales Küchenmesser (kein rostfreier Stahl) über einer Spiritusflamme sterilisiert und anschließend unter dem Wasserhahn abgeschreckt. Nun nahm ich einen gekauften Shitakepilz (von Rewe), riss ihn in der Mitte durch und schnitt mit dem sterilen Messer kleine ca. 5mm*10mm große Stücke heraus, die ich in je ein Glas mit Sägespänen plumpsen ließ, wobei ich es aber nur so kurz wie möglich öffnete. Dann habe ich das Glas ein bißchen geschüttelt, damit das Pilzbröckchen sich mit den Sägespänen vermischt. Es tat sich nun etwa eine Woche lang gar nicht, dann aber haben alle Shitakebröckchen einen Flaum angesetzt, der, war er einmal vorhanden, ziemlich zügig in das Holz einwuchs und sich mit ca. 3mm pro Tag in dem Glas ausbreitete. Später habe ich festgestellt, dass Shitake auf Holz eine Wachstumsgeschwindigkeit bis fast 1cm pro Tag hinlegen kann. Er braucht dazu aber mehr Sauerstoff als er in meinen zugedrehten Gläsern hatte (also besser mit Wattestopfen arbeiten).
Dieses Verfahren funktionierte bei mir beim Gelbstieligen Mischelseitling, bei Shitake und dem Austernpilz. Zur Zeit versuche ich das gleiche mit Kulturchampingions auf Pferdemist. Ergebnisse gibt's aber erst in ein paar Tagen.
Ein andere Versuch: Shitake auf Pappe. Dazu nahm ich ein Stück Wellpappe schmierte eine gekochte Kartoffel durch darauf und machte es naß. Dann ab ins Marmeladenglas und im Schnellkochtopf kochen. Abkühlen lassen. Und nun wieder mit einem (fast) sterilen Messer kleine Pilzbröckchen zuschneiden und ins Glas fallen lassen. Der Pilz treibt nach ca. einer Woche ein Myzel in die Pappe. Wachstumsgeschwindigkeit ca. 3mm/pro Tag. Ist das Myzel kräftiger kann es auch ein wenig schneller Wachsen. Die Pappe kann man dann als Pilzbrut verwenden.
Noch ein Versuch: Gelbstieliger Muschelseitling aus Sporen. Dazu habe ich Sägespäne in ein Glas gefüllt, im Schnellkochtopf abgekocht, abkühlen lassen und dann etwas Leitungswasser durch die Lamellen von einem Pilz aus dem Wald laufen lassen. Das Wasser habe ich auf die Sägespäne gegossen und gewartet. Tatsächlich bildete sich nach wenigen Tagen ein weißes Myzel, leider allerdings auch reichlich grüner-blauer Schimmel (etwas 50/50%). Wie sich zeigte, war das Myzel vom Muschelseitling aber so robust, dass es den Schimmel zügig überwuchs und so vollständig verdaute, dass auch die Erhebungen von dem Schimmel nicht mehr zu sehen waren. So robust ist allerdings wohl nicht jeder Pilz.
Warum ich diese Erfahrungen hier schreibe? Weil ich alle potenziellen Pilzzüchter ermutigen will, sich nicht von Berichten über hochsterile Räume und spezielle Agar-Agar-Mischungen abschrecken zu lassen. Es geht ganz einfach mit normalem Küchengerät auf dem Endmedium des Pilzes. Die Sägespäne habe ich auch schon erfolgreich als Pilzbrut verwendet. Nach ca. 2 Tagen setzen mit Shitake infizierte Sägespäne Flaum an, der sich dann auf die Suche nach neuer Nahrung macht. Der Vorteil von dem Endsubstrat gegenüber z. B. Körnerbrut: Der Schimmel hat weniger Chancen, da für ihn Holz recht mager ist. Ein Vorteil gegenüber Petrischalen: Bei Petrischalen muss man das entstandene Myzel umbetten, was die Gefahr von Kontaminationen mit sich bringt. Bei meinem Verfahren kann man aus einem kleinen Pilzbröckchen ohne Umbetten ein ganzes Glas voll Pilzbrut ziehen. Der einzige Nachteil: Vermutlich wächst das Myzel auf Körnerbrut erheblich schneller als auf Sägemehl. Aber dafür hat man eben auch weniger Risiken.

Nun weiß ich nicht, ob ich bei meinen Pilzen einfach Glück hatte, oder ob die Vermehrung auf dem Endsubstrat bei allen Pilzen funktioniert. Da würden mich mal eure Erfahrungen interessieren. Ich vermute aber, dass es bei allen gehen wird. Denn Agar-Agar mit ein bißchen Malz ist ja auch nicht gerade nahrhaft. Und wenn selbst der empfindliche Shitake auf Holz "keimt", dann sollte es doch zumindest bei den meisten Pilzen gehen. Jedenfalls finde ich, dass man dem Mythos von der Macht der Petrischale mal ein Ende setzen sollte, und die Verfahren vereinfachen sollte, wo immer es geht. Ich hatte auf die Weise Pilze in einigen Gläsern vermehrt und hatte keinen einzigen Mißerfolg obwohl auch meine Zimmerluft sicher nicht die sterilste ist! So viel Erfolg habe ich bei Stecklingen von grünen Pflanzen nicht gehabt, obwohl ich wohl von mir behaupten kann, dass mir manches bei Pflanzen gelungen ist. Warum macht man bloß aus der Vermehrung von Pilzen so eine Wissenschaft, wenn sie so einfach ist. Na gut, die Dinger dann auch zum Fruchten zu bringen, ist wohl schon eine Wissenschaft. Damit habe ich noch nicht viel Erfolg gehabt. Aber meine Myzelien hatten ja auch noch kaum Zeit ans Fruchten zu denken, weil sie erst so jung sind.

Mich würde mal euer Feedback zu meinen Vereinfachungen interessieren. Geht das mit allen Pilzen? Warum bin ich erst auf die Idee gekommen?

Gruß, Till
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Beitrag von davidson30 » Montag, 03. März 2008 12:04

hallo


zuerst mal herzlich willkommen im forum .

interessanter bericht . und gute fortschritte .

deine fast saubere arbeitsweise bringt sicher schon grosse vorteile gegenüber unsauberen arbeiten .....(kommt auch viel auf die anzahl der keime an ...)

wenn du aber zuschlagstoffe wie weizenkleie verwendest ( macht schon viel beim ertrag aus ..)wirst du mit grosser warscheinlichkeit nicht mehr so gute erfolge haben ....

holz wird im normalfall unsteril beimpft ... habe meine körnerbrut auch immer mit den fingern reingestopft ..

deine arbeitsweise wird dir mit großer warscheinlichkeit auch erfolg bringen ...

aber bedenke wenn du mal eine konti hast die der pilz nicht überwuchert .... kannst du bei der petrizucht immer auf eine saubere reinkultur zurückgreifen .... im gegensatz müsstest du wieder bei null anfangen .

aber auf der anderen seit ist es immer schön zu hören das es auch einfach und unkompliziert erfolge bei den pilzen gibt . :D


:!: :!: so schwer ist es ja eh nicht :!: :!:


und du hast den grossen vorteil das du ja deine arbeitweise mit der zeit ja verfeinern kannst :wink: (vielleicht wirst du ja auch mal ein "substratkoch" :D )


ich würde mich aber auf alle fälle freuen wenn du mal deine arbeitsweise noch genauer beschreiben könntest ... (da wäre vielleicht der beitrag über die unsterile pilzzucht interessant für beide seiten )


Ps: lasse dich nicht von rückschlägen entmutigen ... die haben die "sterilen" auch :wink:



grüsse

fritz
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Beitrag von Till » Montag, 03. März 2008 12:45

Danke fritz für die Begrüßung und deine Gedanken.

Ja, du hast natürlich Recht. Mit Zuschlagstoffen wird es wohl nicht so gut gehen. Im Augenblick ist das für mich noch kein so großes Problem, da ich froh bin, wenn ich überhaupt was ernte. Mir geht es auch mehr um die biologische Seite der Pilze als ums Essen am Ende. Obwohl, irgendwann will ich auch mal eine Pfanne voll haben. Wir haben hier einen Wald um die Ecke mit säckeweise Sägespänen. Als Anfänger mache ich da lieber die doppelte Menge an Substrat als das ich durch zu viel Zusatzstoffe den Schimmel anlocke. "Substratkoch" werde ich dann nach und nach erst.

Was du sagst, dass man bei meiner Vorgehensweise wieder von vorne anfangen muss, stimmt zwar, ist aber auch kein so großes Problem. Ich setzte einfach gleich mehrere Gläser an, falls eins eingeht. Und ich habe aus durchwachsenen Gläsern mit einer sterilisierten Pinzette ein bißchen Sägespäne rausgholt und in ein neues sterilisiertes Glas gefüllt. Die treiben dann bald Hyphen und so habe ich immer ein paar Gläser, falls mal eins scheitert. Dass alle verderben, ist ganz unwahrscheinlich.

Ja mein Vorgehen. Hmm. Eigentlich habe ich schon alles beschrieben. Ich stopfte ein Glas voll mit Sägespänen, drehe den Deckel lose drauf und koche sie im Schnellkochtopf 40min im Wasserbad. Dann hole ich sie einfach raus und stelle sie auf einem Esszimmertisch. Beim Abkühlen schmatzt sich oft der lose draufgedrehte Deckel an. Spätestens beim Aufdrehen saugt das Glas dann Luft. Ja und die Pilzstückchen schneide ich wie beschrieben zu. Erst den Pilz durchreißen, damit ich eine sterile Rißkante habe, dann aus der durch den Riß entstandenen Fläche kleine Bröckchen rausschneiden mit einem über Feuer sterilisierten und mit Leitungswasser abgeschreckten Messer. Sollte mal ein bißchen Dreck (z. B. Spuren von Ruß) an dem Messer sein, macht das nichts. Glas aufdrehen, das Pilzbröckchen mit dem sterilen Messer reinwerfen, zudrehen, abwarten. Hat sich Myzel gebildet, und hat es die Oberfläche schon weitgehend bedeckt, kann man auch mal lüften. Dazu habe ich immer das Glas ein bißchen aufgedreht und reingepustet. (Weil ich, vielleicht irrigerweise, glaube, dass die menschliche Lunge auch eine Menge Schimmelsporen rausfiltert und Atemluft daher recht steril ist, vorausgesetzt man pustet langsam.) Das ist eigentlich alles.

Till
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Beitrag von Mycelio » Montag, 03. März 2008 19:54

Hallo Till,


auch ich möchte dich hier willkommen heißen!

Nachdem ich deinen ersten Beitrag gelesen habe, muß ich sagen, du sprichst mir aus der Seele. Seit ich mit der Pilzzucht begonnen habe, vor knapp nem Jahr, frage ich mich, ob es wirklich der richtige Weg ist, mit hohem Aufwand eine sterile Umgebung für Pilze zu schaffen, die dann nur schwer aufrechtzuerhalten ist. Möchte jetzt niemanden beleidigen, aber die sterile Pilzzucht erinnert mich manchmal an die industrialisierte Landwirtschaft mit ihren endlosen Monokulturen, die nur unter heftigem Einsatz von Pestiziden, Fungiziden, Herbiziden und Kunstdünger möglich sind. Bin halt selbst ein Mensch, der sein Gemüse am liebsten in Mischkultur züchtet und darauf achtet, daß sich da ein kleines gesundes Ökosystem aufbaut, so daß Schädlinge gar kein Problem darstellen. Diese Prinzipien auf die Pilzzucht zu übertragen ist leider nicht ganz so einfach, wie anfangs gedacht, denn nicht alle Pilze sind so einfach und wiederstandsfähig wie z.B. Austernseitlinge oder nahe Verwandte. Gerade in letzter Zeit machen einige von uns unsterile Zuchtversuche, die durchaus erfolgreich sind. Muß aus eigener Erfahrung aber noch anmerken, daß auch Schimmelarten existieren, die selbst auf Holz besser wachsen als so mancher Zuchtpilz. Außerdem kann es schonmal vorkommen, daß mal ein unerwünschter Pilz das Substrat übernimmt, was unter sterilen Bedingungen natürlich nicht so einfach vorkommt. Evtl. sind manche Pilzstämme aber auch degeneriert und haben ihre natürlichen Abwehrkräfte längst verloren.

Ich denke hier besteht noch ein gewisser Forschungsbedarf, bin aber zuversichtlich, daß wir zusammen noch einiges herausfinden. Womöglich lassen sich Zuschlagstoffe ja auch unsteril verwenden, wenn sie von harmlosen Mikroben besiedelt werden, die den Zuchtpilz nicht weiter stören...


Grüße, Carsten
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Beitrag von Till » Montag, 03. März 2008 21:59

Danke Carsten für die Unterstützung. Ja mit Bakterien zu operieren, die den Schimmel bekämpfen, das wäre eine Idee. Da müsste man sich wirklich mal Gedanken zu machen. Aber wo bekommt man erste Informationen? Ich wüsste gar nicht, nach welchen Stichworten ich in einer UNI-Bibliothek suchen sollte. Wahrscheinlich ist das auch ziemliches Neuland. Will man selbst herausfinden, welche Mikroben es tun, so wird man wohl ziemlich aufwändige Versuchsreihen machen müssen. Aber unmöglich ist es nicht, was rauszufinden, wenn man nur zahlreiche unreine Kulturen beobachtet, bei denen der Pilz doch erfolgreich ist. Strohballen sind sicher ein guter Ausgangspunkt. Ich müsste mir mal Gedanken machen. Einen guten Mikroskop habe ich ja immerhin auch schon.
Daneben glaube ich, dass es Substrate gibt, die den Ertrag deutlich steigern, ohne gleichzeitig große Kontaminationsgefahren mit sich zu bringen. Ich vermute stark, dass man die Erträge auch auf natürlicheren Substraten drastisch steigern kann, wenn man nachträglich Mineralien hinzugibt. Dazu fällt mir ein etwas ekliges Experiment ein, dass ich als Jugendlicher mit Hefe gemacht habe. Und zwar habe ich Bäckerhefe in gezuckerter Pisse (ja richtig gelesen!) prächtig vermehren können. Die Hefe (auch ein Pilz) hatte also nur mineralische Nahrung mit Ausnahme vom Zucker. Und es gelang ihr dennoch offenbar sehr gut, daraus alle Vitamine und Eiweiße aufzubauen, die sie brauchte, und das sogar unter den ungünstigen Bedingungen von Sauerstoffabschluß. (Urin hatte ich genommen, weil er von Natur aus fast steril ist und weil der menschliche Stoffwechel dem von Pilzen nicht unähnlich ist, also die Abbauprodukte von Körpereiweiß höchst wahrscheinlich den idealen Dünger für Hefe darstellen. Zudem ist Urin ph-neutral. Aber nehmen wir was Unverfänglicheres:) Wenn nun einer z. B. Shitakemyzel auf Sägespänen vermehrt, so hat er eine große Hoffnung, dass das Myzel auf den Spänen die Oberhoheit behält, weil die meisten anderen Mikroben wenig Appetit auf Holz haben. Wenn man nun, sobald das Myzel die Späne durchwachsen hat, mineralischen Dünger (also z. B. Blumendünger mit reichlich Stickstoff) hinzugibt, so nehme ich sehr stark an, dass die Erträge sich deutlich steigern werden. Kohlenhydrate hat der Pilz durch das Holz genug, und er hat nun auch Stickstoffverbindungen, um reichlich Eiweiß zu bilden. Die zusätzlichen Nährstoffe fließen ihm aber erst zu, wenn er er schon so stark ist, dass er alle Fremdkeime töten kann. Zudem vermute ich, dass Blumendünger vom Myzel sofort adorbiert wird und sich gar nicht lange im Substrat hält. Das Experiment werde ich mit Sicherheit machen, wenn nicht andere schneller sind.
Eine andere Überlegung, die allerdings nicht besonders natürlich ist, wäre, dass man mal Kreuzungsexperimente mit Pilzen macht, also z. B. den Limonenpilz mit Austernpilzen kreuzt, in der Hoffnung, dass die Hybride dann resistenter als der Austernpilz aber aromatischer als der Limonenpilz ist. Ich hätte da schon Ideen, wie sowas gehen kann. Vorher würde ich aber mal einen Mykologen anschreiben und fragen, ob die Idee Aussicht auf Erfolg hat.

Gruß, Till
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Beitrag von Mycelio » Dienstag, 04. März 2008 02:05

Hallo nochmal,


mit den Bakterien vermutest du richtig, es ist irsinnig schwierig da brauchbare Infos zu finden. Teste gerade Austern auf Getreide, das von Milchsäurebakterien vergoren wurde. Klappt aber nicht so gut, ist dem Mycel wohl zu sauer. Vergorenes Stroh geht da viel besser.

Bzgl. Urin dachte ich, der würde hauptsächlich Harnstoff enthalten, eine exzellente Stickstoffquelle. Da die Pilze Stickstoff brauchen, um Proteine herzustellen und dieser im Holz Mangelware ist, sprechen eigentlich nur Hygienische Gründe gegen den direkten Einsatz. Habe aber schon Substratanleitungen im Netz gesehen, bei denen Holzspäne oder Stroh in Urea (abgestandenem Urin) eingeweicht wurden...

Blumendünger (übrigens auch Kaffeesatz) hat zusätzlich noch Phosphate, Kalium und Spurenelemente. Sollte auch alles nützlich sein, bloß das Nachdüngen könnte schwierig werden.


Grüße, Carsten
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Beitrag von Till » Dienstag, 04. März 2008 10:08

Hallo Carsten,

Urin ist eigentlich ein Volldünger. Ich erinnere mich da z. B. an eine Anekdote vom Entdecker des Phosphors. Er soll angeblich solange Urin gekocht haben, bis sich in seinem Topf ein leuchtender Bodensatz gebildet hat, das Phosphor. Naja, ist ziemlich eklig. Wahrscheinlich will keiner so Pilze essen, auch wenn man ja immerhin Champingions auf Pferdemist züchtet. Zum Experimentieren hat der Stoff jedenfalls Vorteile. Eine Idee kam mir sonst gestern noch: Was ist mit Hornspänen als Zusatz? Die schimmeln vielleicht nicht so gut. Aber ob Holzpilze sie abbauen?

Gruß, Till
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Beitrag von Mycelio » Dienstag, 04. März 2008 14:20

Interessant. Wieder was gelernt.
Und Holzpilze können vieles Verdauen, Hornspäne, Haare, Fingernägel... Schimmelpilze aber genauso.
Von Austernpilzen weiß man, daß sie sogar Erdöl, Maschinenöl, Diesel oder Petroleum zerlegen können. Manchmal werden sie eingesetzt, um verseuchte Böden zu reinigen. In San Francisco wurden neulich mit Austern sogar die Rückstände der letzten Ölpest beseitigt.

Grüße, Carsten
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Beitrag von LPasteur » Dienstag, 04. März 2008 14:42

Interessante Methode und Erfolge. Regt durchaus zum Nachdenken an. Lediglich zwei kleine Punkte hab ich hier in der Diskussion gefunden, wo ich was anmerken möchte:
Till hat geschrieben:Erst habe ich mir den Rat von verschiedenen Internetforen zu Herzen genommen und wollte mir Petrischalen und Agar-Agar in der Apotheke kaufen. Aber da die Sachen dort ein Vermögen kosteten
In der Apotheke ist natürlich alles teuer.
Hier im Forum wurden aber auch schon günstige Bezugsquellen diskutiert: Agar bei einem Online Auktionshaus (bzw. in Kleinmengen wegen der Versandkosten im Reformhaus oder Biokost-Laden), Petrischalen im glp-shop für 7 cent pro Stück.
Die Vorteile Deiner Methode wären also hier eher im Aufwand als im Preis zu suchen - und auch bei den Geräten: Was wirklich bei der sterilen Pilzzucht sauteuer ist, sind Hepafilter (60 wenn nicht 100 euro und aufwärts), Autoklaven (für Kleinmengen reicht der Schnellkochtopf, sonst auch dreistellig) etc.
Mycelio hat geschrieben:Habe aber schon Substratanleitungen im Netz gesehen, bei denen Holzspäne oder Stroh in Urea (abgestandenem Urin) eingeweicht wurden.
Soweit ich weiß, ist Urea der englische Begriff für Harnstoff siehe en.wiki
Dieser wird industriell synthetisiert aus Ammoniak und CO2. Wenn also Urea dasteht, gehe ich mal davon aus, daß vom handelsüblichen landwirtschaftlichen (also synthetischen) Harnstoff die Rede ist - zumal im Urin neben Harnstoff auch ne Menge andere Sachen drin sind, die man nicht so gern in die Pilze geben möchte.
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Beitrag von Mycelio » Dienstag, 04. März 2008 14:59

Ah, danke für die Korrektur LPasteur. Finde Tierische Abfallstoffe in Pilzsubstraten generell bedenklich. Pferdemist mag ja noch OK sein, aber wenn ich manchmal lese, daß die Leute Blutmehl oder Knochenmehl als Zusatz empfehlen, frage ich mich, ob die unbedingt BSE-Pilze züchten wollen...


Grüße, Carsten
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Beitrag von Tinimaus » Mittwoch, 03. Dezember 2008 21:46

Hallo Till,

durch deinen Betrag habe ich als Anfängerin doch nochmal große Hoffnung geschöpft.

Das Pilzzucht auch unter weniger sterilen Bedingungen klappen, hört sich super an.

Ich wollte mal anfragen was deine Experimente jetzt machen und wie der Erfolg bisher war. Gibts noch andere Methoden, mit denen du Erfolg hattest?

Gruß
Tina
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Beitrag von Dominik » Donnerstag, 04. Dezember 2008 15:13

Hallo Till


du wirst es nicht glauben,aber genau dieses Experiment will ich zurzeit durchführen!

weil ich nicht verstanden habe wieso mans erst auf anderem Material hochziehen musss!

vielen Dank für deinen Bericht,da geh ich gleich mal Hoffnungsvoller in mein Experiment.


Fotos folgen am Abend!


lg
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Beitrag von Waldfreund » Donnerstag, 04. Dezember 2008 16:26

Hi!

Ich werde das als Neuling hier mal genau weiterverfolgen, auch wenn ich bisher mit Dampfdruck/Agar/Petrischale keine Kontamination hatte und das jetzt auch nicht als so kompliziert angesehen habe. Zeitaufwändig, schon.
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Beitrag von SchwammeRulz » Mittwoch, 05. August 2009 16:04

Hallo Till

also deine Beschreibung fand ich echt gut. Gerade wie du Shii Take vermehrt hast, das hat nach deiner Anleitung bei mir auch schon einige mal geklappt. Hatte aber auch mal Schimmel. Aber das kommt vor.

Wollte dich mal fragen bei welchen Pilzen du das alles schon mit Erfolg jetzt probiert hast.


Danke
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Beitrag von w_ciossek » Mittwoch, 09. September 2009 14:19

Hallo Pilzfreunde,
Ich habe auch so mit der Pilzkultur angefangen, und einfach Austernseitlinge in Streifen auseinadergezogen und jene sogar in unsteriles Heu mit einer sauberen Gabel untergemischt, wobei ich darauf achtete, daß das Heu relativ trocken war, also nur leicht angefeuchtet und nicht zu naß. Damit war es zu trocken für den Schimmel, aber feucht genug, für den Austernseitling, der sein Mycel durch die Luftraum zwischen die Halme schickte. Etwa zehn Prozent der so angesetzten Kulturen waren dann doch mit Schimmel kontaminiert, wobei einige von den kontaminierten noch vom Austernseitling überwachsen wurden. Der Schimmel kam dann aber wieder zurück, nachdem die Fruchtkörper mehrere Male abgeerntet wurden.
Auch bei Lentinus edodes (Shiitake) habe ich die fast verholzten Pilzstiele einfach in das Bohrloch eines Holzstammes gestopft und wie weiche Impfdüpel behandelt. Auch das funktionierte.

Da ich allerdings nicht immer mengenmäßig viel Ausgangsmaterial hatte, bzw. bei kleinen Pilzen wie Flammulina velutipes und anderen kleinen Baumpilzen nur wenig Mycel zum Klonen hatte, mußte ich doch auf Agar Agar oder Flüssigsubstraten ausweichen, um mehr Mycel zum Impfen zu gewinnen, bzw. aus Waldpilzen Reinkulturen zu gewinnen, da manchmal auch der Pilzkörper selbst bereits kontaminiert sein kann. Auch hat man bei kleinen Pilzen auch nur Sporen zur Verfügung.

Um steril beim Impfen zu arbeiten, baute ich mir eine einfache kleine Box, die mit einer UV-Lampe sterilisiert wurde, indem ich sie einfach eine Stunde brennen ließ. Das dabei entstehende Ozon tötet die Keime in der Luft ab, so daß die Box keimfrei ist. Pilze und Impfutensilien wurden vorher dort einfach reingelegt und mit Ozon sterilisiert. Da brauchte ich auch keinen Brenner um das Skalpell zu sterilisieren. Beim Arbeiten über Dampf habe ich stattdessen öfters leichte Verbrühungen und außerdem kostet es viel Energie. Meine Ozonlampe dagegen verbraucht nur 14 Watt. Allerdings zerstört Ozon einige Kunststoffe, wie Frischhaltefolien usw.

Bei sehr nassen Strohsubstraten war mir manchmal aufgefallen, daß das Stroh eine durchsichtige rotbraune wässrige Lösung absondert und das Mycel offenbar sich dort sehr wohlfühlt und ausgesprochen dort schnell wächst. Man diese Flüssigkeit auch durch einen Aufguß von frischen Stroh gewinnen. Da ich beobachtet hatte, wie auf den Strohkulturen das Mycel sich besonders in dieser Flüssigkeit gut wachsen, habe ich jene als Nährlösung neben Honig- oder Zuckersubstrat verwendet.

Ferner habe ich auch Erfahrungen mit Hallimasch gemacht, dessen Mycel im einer flüssigen Nährlösung leuchtet und auf Stroh sich leicht ziehen läßt, obwohl er auf Holz gedeiht und sogar parasitisch auf Bäumen lebt.
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