Unsteril weitervermehren

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kalle
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Unsteril weitervermehren

Beitrag von kalle » Mittwoch, 07. Januar 2009 12:14

Hallo,
ich bin zwar schon etwas betagt (55) aber als Pilzzüchter noch relativ neu. Nach zwei gescheiterten Anläufen mit Dübeln in Hartholzstämmen wollte ich die Sache diesmal besser machen und mit Substrat arbeiten, damit ich das Ganze besser kontrollieren kann.
Zuerst also Literatur besorgt und dann die vielen wertvollen Tipps in diesem Forum gelesen. Dafür allen ganz ganz herzlichen Dank!!!!!!
Dabei ist mir aufgefallen, dass es offenbar zwei Typen von Pilzzüchtern gibt: Die einen arbeiten peinlichst rein und genau und greifen ohne vorherigen Sterilisation und Laufenden HEPA-Filter gar nichts an. Andere wiederum verteilen frohgemut mit bloßen Händen das Myzel im Substrat (nachzulesen bei D.+G. Stein oder J. Engelbrecht) und es scheint trotzdem zu funktionieren. Da ich vom Naturell her eher zur zweiten Vorgangsweise tendiere, habe ich mich entschlossen, die unsterile Zucht so weit wie möglich auszuloten.

Also Roggenbrut bestellt (Austernpilz, Kräuterseitling, Shitake) und mit verschiedenen Substraten ( Strohpellets fermentiert, Holzbriketts eingeweicht + Mischung von beiden) in Platikkontainern vermischt. Ergebnis: Ein Container fruchtet mit 1,5 kg Austernpilzen. Diese verursachen allerdings Juckreiz und leider zu spät lese ich, dass Austernpilze stark allergieauslösend sind und 10% der Bevölkerung sogar allergisch auf gegessene Austernpilze reagiern (Stamets). Wenn also jemand verdächtige körperliche Reaktionen zeigt: Aufpassen, es könnte am Austernpilz liegen (muss aber nicht).

Bleiben Kräuterseitling und Shitake: Zum Teil Kontis (Vermutung: Mit 1:10 zuwenig Brut im Verhältnis zum Substrat und dadurch zu langsame Durchwachsung) zum Teil kein Myzel (Vermutung: Zu trocken). Ich lasse mich aber nicht entmutigen und nehme nochmals Anlauf.

Eine Frage: Um den Weg von der Petrischale zum Substrat zu sparen, möchte ich fertige Getreidebrut so lange wie möglich selbst vermehren und habe das auch versucht. Zum Teil Kontis (ev. zu nass), zum Teil erfolgreich. Allerdings beim zweiten Durchgang dann schon Totalausfall. Bei Stamets lese ich nun, dass man nicht mehr als 3 Generationen vermehren sollte, da das Myzel sonst degeneriert. Hat jemand damit Erfahrung?

Vor allem ist es ja so, dass die vom Lieferanten bezogenen Brut schon mindestens in der zweiten, meist wahrscheinlich in der dritten Generation ist, sodass eine Weitervermehrung auf Getreide eher aussichtslos ist. Was meint ihr?

Dazu noch eine Grundsatzfrage: Stamets meint, dass eine neue Generation jeweils beim Übergang des Myzels auf eine anderes Medium entsteht. Nun ist Getreide ja immer noch dasselbe Medium. Ich kann mir das nur so vorstellen, dass der Übergang erfolgt, wenn das Myzel den Gesamtzusammenhang verliert und wieder ein neues Myzel bilden muss. Hat das Myzel eine eigene Intelligenz? Was passiert, wenn man von einem stetig wachsenden Myzel immer wieder Stücke abschneidet? Und wie ist es, wenn man z.B. durchwachsenes Getreide mehrmals schüttelt, um das Wachstum anzuregen. Entstehen dann jeweils viele neue Myzele in einer neuen Generation?

Wäre ein Myzel denkbar, das z.B. auf einer Seite gefüttert wird und auf der anderen, bereits durchwachsenen Seite fruchtet? Oder geht dann das Gesamtmyzel in den Fruchtungsmodus über und hört auf zu wachsen?

Und zum Schluss was einfacheres: Was bewirkt eigentlich Gips bei der ganzen Angelegenheit?

Fragen über Fragen, und wenn jemand was dazu sagen kann, würde er (sie) mir viel Experimentierarbeit ersparen.

Danke im voraus und herzliche Grüße aus Westösterreich.
Waldfreund
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Beitrag von Waldfreund » Mittwoch, 07. Januar 2009 13:01

Herzlich willkommen im Forum!
Bin auch neu hier und in der Pilzzucht, aber vielleicht kann ich ja trotzdem helfen. Beim unsterilen Arbeiten hat sich wohl Wasserstoffperoxid (H₂O₂) als Sporenvernichter bewährt, also ab den Zeitpunkt wo man mit Myzel arbeitet kann man mit einer stark verdünnten H₂O₂-Lösung arbeiten, siehe weiter unten.

Das Gips hilft bei Körnerbrut ein verklumpen zu verhindern, falls man damit weiteres Substrat beimpfen möchte und es schüttfähig bleiben soll, außerdem stellt es Nährstoffe zur Verfügung.

Mit dem Stamets bist Du eigentlich gut ausgerüstet, bzgl. des H₂O₂ such mal im Netz nach "Home Mushroom Cultivation with Hydrogen Peroxide", der Rush Wayne möchte zwar auch seine Bücher verkaufen, hat aber umfangreiches Material online gestellt, dass eigentlich alles verrät.
kalle
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Beitrag von kalle » Mittwoch, 07. Januar 2009 18:07

Danke Waldfreund für den schnellen Tipp. Wie siehts aus mit den Resten von H2O2, finden die sich dann auch in den Pilzgerichten oder werden die komplett abgebaut?
Waldfreund
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Beitrag von Waldfreund » Mittwoch, 07. Januar 2009 19:19

Das H₂O₂ zerfällt laut Autor komplett zu Wasser und Sauerstoff und ist nachdem das Myzel sich auf dem Trägermedium/Substrat ausgebreitet hat nicht mehr nachzuweisen, bis auf das, was sowieso in dem Pilz selbst gebildet wird.
BigEl6
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von BigEl6 » Montag, 18. Januar 2010 10:33

Hallo Kalle !
Ich bin gerade über deinen Beitrag gestolpert.Da mich auch diese Fragen beschäftigen,hast du mal eine befriedigende Antwort auf deine Fragen erhalten ?
Weist du ,wies am besten funkt,mit der Körnerbrutvermehrung ?
Ich bin für jede zielführende Antwort sehr dankbar.

lg,igEl6 :?:
Waldfrieden
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von Waldfrieden » Freitag, 29. Januar 2010 12:07

Stamets meint, dass eine neue Generation jeweils beim Übergang des Myzels auf eine anderes Medium entsteht. Nun ist Getreide ja immer noch dasselbe Medium
also das habe ich anders gelesen.

stamets selbst geht so vor:

petrischale ansetzen (1 gen)
aus 1 petri 10 petris ansetzen (2. gen)
petri in gläser ansetzen (3. gen)
gläser in säcke (4. gen)
säcke in erde (5. gen)

da würde er sich selber widersprechen. ich denke so pauschal kann man das nicht sagen. ich gehe davo aus, dass es eher wichtig ist, wie alt das myzel ist und denke, dies variiert nochmals je nach pilzart. ich für meinen teil vermehre das myzel jeweils kurz, bevor die petrischale ganz durchwachsen ist.

wegen dem unsterilen arbeiten: dies ist halt relevant welche pilze du züchten willst. und unsteril kannst dus grundsätzlich mal vergessen so vorzugehen wie es stamets macht, da 5fache chancen hast, kontis einzuschleppen (jedesmal wenn du die petrischale, gläser oder säcke öffnest).
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von Mycelio » Freitag, 29. Januar 2010 17:02

Hallo,

ich finde der Begriff 'Generation' ist hier schlecht gewählt. Strenggenommen kann eine neue Generation nur durch Sporenkeimung entstehen. Von diesem Moment an tickt die biologische Uhr und das Mycel beginnt zu altern, bis es irgendwann nicht mehr weiterwachsen kann. Wielange das dauert, hängt ganz vom jeweiligen Stamm ab. Manche Arten von Pilzen sind allerdings in der Lage, ohne Fruchtkörper asexuelle Sporen (Conidien) zu bilden, welche keimen, sich mit dem ursprünglichen Mycel verbinden und dann die Uhr wieder zurückstellen, indem alte Zellkerne durch junge ersetzt werden.

Was hier wohl gemeint war, ist daß man beim Überimpfen höchstens dreimal dasselbe Nährmedium verwenden sollte, um zu vermeiden, daß das Mycel durch einseitige Ernährung Ermüdungs- oder Mangelerscheinungen zeigt.

Grüße, Carsten
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von kalle » Montag, 01. Februar 2010 17:45

Hallo Big,
kurze Info wie es bei mir weiterging: Die Tipps mit H2O2 klangen interessant und ich habe mir das Buch von Stamets schicken lassen. Ein befreundeter Tierarzt hat mir sein restliches H2O2 überlassen und los gings. Leider Schuss nach hinten wegen Totalkonti. Nachträgliche Erklärungsversuche haben ergeben, dass das Wasserstoffperoxyd altern kann und ev. nicht mehr wirksam war. Irgendwie hatte ich keinen richtigen Bock da weiter zu machen, vielleicht liegt es am doch eher unangenehmen Gefühl, mit Chemikalien zu arbeiten, auch wenn sie noch so harmlos sind. Man hört auch im Forum wenig Aufmunterndes zu diesem Thema, vielleicht geht es anderen auch so.
Ich habe mich jetzt auf unsteriles Substrat konzentriert, Strohpellets vergärt und mit Chips und Holzbriketts vermengt und damit halbwegs befriedigende Resultate erzielt (Ulmenseitling und Kräuterseitling). Da ich mich noch nicht getraue, bei dieser Methode Zuschlagsstoffe zu verwenden, sind die Ernteergebnisse zwar ermunternd, aber mengenmäßig noch unter meinen Erwartungen. Die „Generationenfrage“, ab welcher Vermehrungsstufe das Myzel degeneriert, hat sich von selbst erledigt. Ich vermehre gekaufte Getreidebrut 1:8 mit sterilisiertem Getreide in Plastiksäcken und fülle die Brut über einer Bratpfanne mit kochendem Wasser und laufendem Dunstabzug um. Bei dieser Methode habe ich etwa nach der vierten Vermehrung Kontis drin und die Degeneration ist dann nur noch eine theoretische Frage. Außerdem habe ich inzwischen von Myzelio ??? und auch anderen Autoren gelesen, dass Brut theoretisch fast unbegrenzt vermehrt werden kann. Ich müsse mit halt vielleicht doch eines Tages ein Laminar-Flow-Gerät für steriles Arbeiten anschaffen.

Meine Vision von einer ewig produzierenden Pilzmaschine, die an einer Seite immer gefüttert wird und an der anderen Seite laufend Pilze produziert, habe ich begraben. Weil ich dazugelernt habe (Bücher und im Forum gelesen): Ein Myzel befindet sich gesamthaft entweder in der Wachstumsphase oder in der Fruchtungsphase. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. Stimmts oder weiss jemand gegenteiliges?

Hallo Mycelio,
danke für deine vielen Tipps. Wenn ich dich grad dranhab: Du bist ja Vergärungsspezialist und hast in einem anderen Thread die Essig-, Milchsäure und Alkoholgärung genannt. Hast du schon herausgefunden, welche davon fürs Myzelwachstum die beste wäre (bei gleichzeitiger Unterdrückung der Schimmelpilze). Frisst Myzel den von dir gennannte Sauerteig? Ich möchte in diese Richtung experimentieren, aber wenn du schon Ergebnisse hast könnte ich mir einiges ersparen. Dein Versuch mit Myzel auf vergorenem Getreide läuft gerade und auch bei mir habe ich den Eindruck, dass das Myzel das Getreide wegen zu niedrigem PH-Wert nicht wirklich mag. Meine Idee: Wenn ich Getreide mit dem Stroh mitfermentiere, wird es zuerst von strohfressenden Myzel umwachsen, wobei gleichzeitig der PH-Wert des Substrats wieder ansteigt. Nach einiger Zeit würde dann das saure Getreide auch wieder verwertbar und stünde in der Fruchtungsphase als Dünger zur Verfügung. Was hältst du von dieser Theorie?
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von Mycelio » Montag, 01. Februar 2010 20:04

Hallo Kalle,

schön, daß du noch dabei bist und nicht aufgibst!

Bei der Körnerbrutvermehrung könnte auch eine einfache Impfkiste helfen, klappt bei mir jedenfalls viel besser, als über Wasserdampf. Schau mal unter Technik->Bilder als Anregung.

Wegen dem konstanten Nachfüttern des Mycels hatte Andreas (Pilzhaus) vor ein paar Jahren mal beschrieben, daß seine Pilze fruchten, bevor das Substrat durchwachsen ist. Soweit ich mich erinnere, hatte er sehr große Beutel mit sterilem Substrat und vielen Zusätzen, also große Mengen Mycel, welches vor lauter Nährstoffen fast platzte.

Zur Gärung:
Die von uns gewünschte Variante ist die Milchsäuregärung, genau wie in der Landwirtschaft bei Silage. Essig ist aber auch immer zu einem geringen Anteil dabei. Ich benutzte momentan immer 1/6 Luzernepellets als stickstoffreichen Zusatz, die darf ich aber erst nach drei Tagen zugeben, wenn das Stroh schon heftig schäumt, sonst funktioniert es nicht. Früher hatte ich auch erfolgreich Kaffeesatz im Einsatz. Ich füttere Brut oder Mycel aber immer in mehreren Schritten, immer 1:1 gleiche Menge durchwachsenes Substrat und Gärsubstrat. Kräuterseitling und Ulmenseitling wachsen dann sehr schnell ein, so daß ich ein bis zweimal pro Woche nachfüttern kann. Beim Einsatz von Holzbriketts wächst bei mir leider immer grüner Schimmel.
Vergorenes Getreide wird sehr sauer. Beim Ulmenseitling habe ich es noch nicht eingesetzt, der Kräuterseitling kommt aber ganz gut damit zurecht. Am besten klappt es, wenn ich ein paar Zentimeter davon unten in ein Gefäß gebe und dann abwechselnd durchwachsenes und frisches Substrat darüberschichte. Nach ein paar Tagen wächst das Mycel dann zwar langsam, aber sehr dicht in das Getreide ein und sollte es auch nach und nach verwerten. Zum genauen Einfluß auf die Erntemenge kann ich noch nichts sagen.

Momentan teste ich die unsterile Verwendung von allerlei Zusätzen (bis zu 30%), wobei ich diese kurz in Wasser koche und dann Strohpellets hinzufüge, bis die Feuchtigkeit paßt. Gefüttert wird dann immer 1:1. Luzerne und/oder Kaffeesatz eignen sich schonmal sehr gut, bei Hirse und Rasensaat nehme ich maximal 10%. Bei gemahlenen Sojabohnen warte ich noch auf die ersten Ergebnisse, würde aber höchstens 5 bis 10% empfehlen. Evtl. eignen sich diese auch nur für den Kräuterseitling.
Mit den Erträgen bin ich beim Ulmenseitling mehr als zufrieden. Der bringt in Beuteln oft schon in der ersten Welle 20% des feuchten Substratgewichtes. Werde da demnächst mal die Zusätze reduzieren, um zu sehen, wieviel man minimal braucht. In Kisten ernte ich viel weniger und habe Probleme mit Schimmel und Belüftung.
Beim Kräuterseitling bin ich noch nicht so weit. Die erste Welle bringt dort nur halb so viel und die zweite läßt sehr lange auf sich warten.

Grüße, Carsten
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von w_ciossek » Donnerstag, 04. Februar 2010 12:50

Hallo Pilzgemeinde,
Ich denke nicht, daß Pilzmycel altert. Viele niedere Lebewesen kennen oft kein Alter, weil sie oft eine große Oberfläche haben und somit einen guten Stoffaustausch mit der Umwelt. Es wurden vor ca. neunzig Jahren diese Hyphothese aufgestellt, das Pilzmycel altert weil in Experimenten in Petrischalen die Pilze schwächer wurden. Aber das liegt nicht am Alter, sondern durch die Bedingungen, wie das Mycel gehalten wird. In einer luftdicht abgeschlossenen Petrischale nimmt das Mycel langsam einen Schaden an, da es nicht richtig atmen kann, und Stoffwechsel-Abbauprodukte in der Schale verbleiben. Außerdem kommen auch keine neue Nahrungsstoffe hinzu. Das ist auch der Grund, warum Mycel in solchen geschlossenen Behältern ohne Stoffaustausch kaum fruchten. In freier Natur werden Mycelien oft Tausende von Jahren alt, genauso wie Schwämme, viele Pflanzen und ähnliche Organismen. In Oregon existiert beispielsweise ein Hallimasch-Mycel, welches auch etliche tausend Jahre auf den Buckel hat und die Größe dieses Staates bereits erreicht hat.
Da ich bei meinen Mycelien diesen Umstand berücksichtige, konnte ich auch bislang ein solches Altern nicht beobachten.

Gruß Wolfgang
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von Mycelio » Freitag, 05. Februar 2010 00:28

Hallo Wolfgang,

ich bin ebenfalls der Meinung, daß gealterte Mycelien in den allermeisten Fällen an Sauerstoff- oder Nährstoffmangel zugrunde gingen. Trotzdem können sich die Zellen von Pilzen nicht unbegrenzt oft teilen. Sobald die Telomere and den Enden der Chromosomen aufgebraucht sind, ist definitiv Schluß. Meist kommt es aber nicht soweit, da die Mycelien gern mit ihren eigenen Nachkommen aus sexuell oder asexuell gebildeten Sporen verschmelzen. Bei dieser Frischzellenkur können alte Zellkerne durch junge ersetzt werden.
Zu diesem Thema haben wir auch einen eigenen Thread:
viewtopic.php?f=26&t=1128

Mit dem Hallimaschmycel aus Oregon sollte man vorsichtig sein. Jeder Journalist, der vom anderen abschreibt, macht das Mycel größer, älter und dichtet noch andere Wunderdinge hinzu. Catherine Parks, die Entdeckerin, berichtete jedenfalls nur von 9 Quadratkilometern und vermutete ein Alter von 2400 Jahren, sowie einen einzigen, zusammenhängenden Organismus. Alternative Entstehungsmöglichkeiten und die Fusion mehrerer Mycelien wurden dabei scheinbar ignoriert. Auch läßt die damals eingesetzte, eher primitive Methode des DNS-Vergleichs meiner Ansicht nach nicht den Schuß zu, daß es sich um einen einzelnen Klon handelt. Naja, oft gibt man sich eben große Mühe, seine erste Vermutung zu beweisen...

Grüße, Carsten
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von kalle » Freitag, 05. Februar 2010 17:08

Hallo Wolfgang und Carsten,
danke für euer Mitdenken. Resultat für mich aus der „ genetischen Alterungsdiskussion“: Theoretisch interessant, hat jedoch derzeit keine praktischen Auswirkungen.

Carsten, darf ich zu deinen Ausführungen noch einmal nachhaken und dich mit ein paar Zusatzfragen löchern? Ich habe nämlich nicht den Ehrgeiz, alle Fehler selbst zu machen. Und wenn, dann dauert es bei mir leider ca. 4 Monate (Kräuterseitling, beim Ulmenseitlich vielleicht zwei Wochen weniger) bis ich es endgültig weiss und die Dinger fruchten (oder auch nicht).

1. Wenn ich dich richtig verstanden habe, baust du deine Substratblöcke (auch in Säcken) schichtweise auf. Dann steht also an der Grenzfläche der Schicht jeweils ein Partikel Myzel nur einem Partikel unbewachsenem Substrat als Futter gegenüber. Wie ich einmal gelesen habe, breitet sich Myzel von einem Punkt nach allen Richtungen gleich aus. Dies soll ja auch der Vorteil von Sittichfutter gegenüber anderen Getreidearten sein, dass viel mehr kleinere Körner ein vielfaches von Startpunkten bilden und dadurch ein schnelleres Durchwachsen ermöglichen. Daher schien mir ein gleichmäßiges Durchmischen von Myzel und Substrat sinnvoller, weil dann jedes Myzelpartikel von mehreren Substratpartikeln umgeben ist. Meine Vorstellung geht jetzt dahin, den Schritt mit der Getreidebrut überhaupt auszulassen und das durchwachsene Substrat fein vermahlen mit frischem Substrat gleichmäßig zu vermischen. Verhältnis 1:2, bei Glück ev. 1:4. Was hältst du davon?
In welcher Phase würdest du die Verehrung vornehmen? Lt. Stamets ist das frische Myzel am vitalsten, aber es muss ja zuerst das Substrat durchwachsen haben. Also erst nach ca. 3 Monaten vor Beginn der Fruchtungsphase?

2. Du schreibst, dass du mit Beuteln arbeitest, weil du mit Kisten geringere Erträge und Probleme mit Schimmel und Belüftung hast. In meinen Kisten schaut es leider genauso aus Füllmenge 1/3, einmal wöchentlich Deckel heben). Verwendest du geschlossene Filtersäcke wie bei der sterilen Zucht oder wie belüftest du deine Säcke ohne dass Trauermücken auftauchen?

3. Bei deinen Kräuterseitlingen dauert der zweite Schub offenbar seht lange. Bei mir auch. Ehrlich gesagt habe ich noch gar keinen erlebt. Bei mir wird das Myzel nach dem ersten Schub braun. Ist das so oder hast du weiterhin weisses Myzel?

Danke im Voraus, und Gruß

Kalle
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von Mycelio » Freitag, 05. Februar 2010 19:15

Halte dich bloß nicht zurück Kalle, ich bin froh wenn ich dir weiterhelfen kann, Wolfgang garantiert auch. Und gemeinsam kommen wir schneller ans Ziel. :wink:

Meine Substrate hatte ich früher geschichtet. Inzwischen wird alles fein zerbröselt und gründlich gemischt, so daß das Mycel nur ein paar Millimeter weit wachsen und sich neu vernetzen muß.

Beim Ulmenseitling setze ich bereits keine Getreidebrut mehr ein und kann nicht über schwache Ernten klagen. Beim Kräuterseitling klappt das noch nicht so gut. Da liegen meine Erträge noch bei 40% dessen, was möglich sein sollte.

Deine Durchwachszeiten sind wirklich sehr lang. Wie gesagt vermehre ich das Substrat schrittweise und immer 1:1. Nach drei bis vier Tagen ist es dann soweit, wieder verdoppelt zu werden. Nach fünf bis sechs Tagen (alles bei Zimmertemperatur) fangen beide Pilzarten dann schon an, Knoten und Primordien zu bilden. Natürlich verliert man bei jedem Vermehrungsschritt etwa einen Tag, da sich das Mycel erstmal sammeln und erholen muß, bevor es weiterwächst. trotzdem kann ich mit dieser Methode in einem Monat aus einem Liter durchwachsenem Substrat ca. 200 machen.

Höhere Anteile von frischem oder vergorenem Substrat sind mir zu riskant. Wie Wolfgang im anderen Thread schon geschrieben hat, breiten sich erstmal Bakterien und Hefen aus, die dann zuviel Sauerstoff verbrauchen, wobei das Mycel nahe am Erstickungstod nur langsam wächst. Manchmal hat es dann auch eine Macke und fruchtet nicht mehr so gut wie sonst.

Meine unsterilen Filterbeutel und Eimer habe ich hier dokumentiert:
viewtopic.php?f=14&t=1865

Der Kräuterseitling bleibt bei mir weiß, nur an den Öffnungen wächst manchmal blaugrüner Schimmel. Probleme mit der zweiten Welle werden auch von professionellen Züchtern erwähnt. Der ist einfach empfindlicher und kann das Substrat nicht so gut verwerten wie Austern- oder Ulmenseitlinge. Dafür schmeckt er aber besser.

Grüße, Carsten
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von SchwammeRulz » Freitag, 08. Oktober 2010 19:19

Hallo zusammen

ich denke ich bin hier richtig mit dem Bild was ich reinstellen will. Das ist so ca. nach der Methode vermehrt wie Casten hier beschrieben hat. War vielleicht mehr frisches Substrat als Durchwachsenes.

Auf jeden Fall hing der Beutel dann ne ganze Weile im Gewächshaus. War allerdings teilweise hier echt kalt. Nacht teilweise nur 5 Grad.

Hab den jetzt zusammengeschnürt und paar Löcher reingemacht. Und das kam dabei raus.
DSC01161.jpg
Das sind ca. 3,5kg, also der Substratblock.

Hauptsächlich aus Strohpellets, mit paar Chispis und bissel Gips. Auch so zugaben wie Kaffesatz und Olivenöl ist in geringen Mengen enthalten.

Mal kucken was als Erntegewicht rauskommt.

Sieht auf jeden Fall ersmtal schön aus. Und das beste, ich hab im Gewächshaus noch so einen Beutel hängen. Der hat zwar zwei Schimmelstellen (kleine), aber eine davon wird gerade überwuchert.
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Re: Unsteril weitervermehren

Beitrag von kalle » Dienstag, 12. Oktober 2010 17:10

Gratuliere, sieht gut aus!!
Sind das jetzt Austern- oder Kräuterseitlinge (kann ich auf dem Foto nicht genau erkennen). Wie hast du das Substrat "unsteril" behandelt? Strohpellets vergoren oder mit Heißwassser pasteurisiert?
Danke und Gruß
Karl
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