Mycelien optisch unterscheiden

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sajatdv
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Mycelien optisch unterscheiden

Beitrag von sajatdv » Freitag, 07. Januar 2011 13:14

Hallo,

beim Aufbau meiner Speisepilzgendatenbank arbeite ich mit Mycelien mehrerer Arten. Dabei sind mir deutliche Unterschiede aufgefallen.
Beispielsweise wächst Stockschwämmchenmycel nahezu gleichmäßig über die Platte und sieht dabei wie gesponnenes Flies aus. Das Rosenseitlingsmycel ist zunächst weiß und wechselt dann in ein deutliches rosa. Shitake neigt sehr schnell dazu, sich bräunlich zu verfärben.
Ich will mir weitere Beispiele verkneifen und auf die Fragen kommen, die mich aktuell interessieren:

Wie verlässlich kann man -mit entsprechender Erfahrung - am Mycel erkennen, um welchen Pilz es sich wahrscheinlich handelt?
Sind die Pilzmycelien bei 1200 facher Vergrößerung unterm Mikroskop sicher zu identifizieren?
Kann man Schimmelpilzmycel (noch vor der Sporenbildung) mit bloßem Auge oder mit dem Mikroskop von Speisepilzmycel unterscheiden?

Wie sind da Eure Erfahrungen?

Wie man seine Proben ordentlich beschriftet ist mir bekannt. Gleichwohl würde die frühzeitige Identifikation von Schimmelmycel helfen, rechtzeitig eine teilweise kontaminierte Agarkultur umzuimpfen oder einen schimmeligen Körnerbrutansatz rechtzeitig zu entsorgen.

LG

Toni
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Re: Mycelien optisch unterscheiden

Beitrag von Mycelio » Freitag, 07. Januar 2011 18:24

Hallo Toni,

leider hängt es auch von den äußeren Bedingungen ab, wie so ein Mycel wächst. D.h. Substrat, Feuchtigkeit, Belüftung, Licht und Temperatur spielen eine Rolle, aber auch der jeweilige Pilzstamm. Nehmen wir mal ganz normale Austernseitlinge. Da wachsen die Hyphen zwar generell eher gleichmäßig, schnell und geradeaus, aber in nassem Substrat wird es schon mal strähnig und ungleichmäßig. Findet sogar noch eine Gärung durch Hefen und/oder Milchsäurebakterien statt, wächst das Mycel plötzlich sehr viel dichter, aber auch langsamer, weil es nur sehr kurze Hyphen bildet. Bei Riesenträuschlingen wächst das Mycel bei hoher Feuchtigkeit gern wattig, bei Trockenheit bildet es dagegen dicke Rhizomorphen (wie Wurzeln), die schnell vorauseilen.
Das ganze ist also nicht so einfach. Man kann sich nur die Mycelien anschauen und mit der Zeit ein Gefühl dafür bekommen, welche Variationsbreite eine Pilzart aufweist. Hierbei kann auch der Geruch hilfreich sein, wobei es aber meist zwei Gerüche gibt. Gesundes Austernmycel kann z.B. süßlich riechen, geschüttelt oder zerbröselt ist es dann mehr ein herber Duft. Dummerweise wird das aber auch von äußeren Parametern beeinflußt.

Mit der Schimmelerkennung vor der Sporenbildung ist es auch nicht einfacher. Bei den vielen, vielen Schimmelarten gibt es dichte, pelzige mit kurzen Hyphen, aber auch rasante mit vergleichsweise riesigen, aber eher vereinzelt wachsenden und unregelmäßigen Mycelfäden und alles mögliche dazwischen.
Man sollte aber auch mit anderen unerwünschten Mycelien rechnen, z.B. von Wild- und Zuchtpilzen. Zeitweise habe ich z.B. mehr Austern- als Schimmelkontis.

Verschieden aussehende Mycelbereiche oder Mycelinseln abseits der Impfstellen sind aber auf jeden Fall ein Warnhinweis. Solche Gläser kann man auch schon bei Verdacht in Quarantäne schicken und erstmal weiter beobachten. Bei frühzeitiger Erkennung kann man sie dann z.B. nochmal sterilisieren und neu beimpfen.

Ich achte meist darauf, wie lang und wie verzweigt die Hyphen sind, ob sie geradeaus oder wuschelig durcheinander wachsen und welche Muster man im Gegenlicht sieht, wenn Hyphen an der Glaswand entlangkriechen. So eine kleine LED-Taschenlampe ist sehr praktisch für solche Inspektionen, eine Lupe natürlich auch.

In stärker vergrößerter Ansicht werden dir wahrscheinlich noch weitere Unterschiede auffallen, evtl. findet man unter dem Mikroskop innere Unterschiede, z.B. verschieden große Zellkerne. Viele Arten höherer Pilze haben auch mikroskopisch erkennbare Schnallen an der Verbindung zwischen zwei Zellen.

Gruß, Carsten
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