Leider bin ich mit meinem Herbst-Experiment sehr spät dran, denn eigentlich wollte ich bereits im Oktober Morchelbrut in Balkonkästen vergraben haben, um das Myzel dann dort nochmal nachfüttern zu können, bevor der Winter hereinbricht. Immerhin kommt jetzt eine frostfreie Woche, so dass ich wenigstens noch die Brut verbuddeln kann. Ob dann im Frühling etwas passiert werden wir sehen.
Im Rennen sind drei Myzelien, Norms Spitzmorchel, Marias Rindenmulch-Spitzmorchel und eine Speisemorchel. Die Speisemorchel hatte ich vor Jahren selbst gefunden, von den anderen hatte mir Maria netterweise Proben geschickt, zusätzlich auch von Norms "Speisemorchel" (die ich eher für eine der vielen Spitzmorchelarten halte), aber da wollte nichts wachsen. Von allen hatte ich kleine Stücke von getrockeneten Fruchtkörpern auf Agar gebracht (MEA mit Bierhefe und koffeinfreiem Kaffee). Nach wenigen Tagen wuchs Myzel, aber ich war einige Tage lang sehr skeptisch, da immer wieder einzelne Hyphen nach oben wuchsen und sich auf dem Weg zum Deckel verzweigten wie ein Köpfchenschimmel. Glücklicherweise bildeten sich keine weißen oder schwarzen Köpfchen, stattdessen erschienen bei den beiden Spitzmorcheln irgendwann Sklerotien, zuerst im, später auch auf dem Agar. Die Speisemorchel hat bis heute keine Sklerotien auf Agar gebildet, was ich auf die Nährstoffmischung schiebe.
Heute sehen die Petris so aus (Reihenfolge wie oben):
Als Brutsubstrat gab's für die Spitzmorcheln ein Gemisch aus Nadelholzpellets, Strohpellets, Getreide und Kaffeesatz, spaßeshalber mit einer dünnen Schicht Pinienride oben drauf. Die Speisemorchel bekam Strohpellets, Laubholzpellets, Getreide, Kaffeesatz und Kalk. Mit den Spitzmorcheln habe ich jeweils drei 720ml-Gurkengläser beimpft, mit der Speisemorchel fünf. Bei letzterer war das Myzel anfangs nicht zu sehen, erst mit einer Lupe und seitlicher Beleuchtung wurde es erkennbar.
Inzwischen habe ich das (wieder gleiche Reihenfolge):
Ohne eine dicke andersartige Deckschicht sind die Sklerotien klein und kreuz und quer im Substrat verteilt, wobei die Spitzmorcheln wie erwartet früher damit anfangen und tendenziell kleinere Sklerotien bilden. Bei Marias Spitzmorchel ist mir das Substrat ein wenig trocken geraten. Wahrscheinlich gibt es deswegen so wenige Sklerotien. Das ist mir aber willkommen, denn so muss ich weniger vom Glas abkratzen.
Wie an anderer Stelle schon erwähnt, kommt es mir so vor, als hätten Morchelmyzelien große Schwierigkeiten damit, in die Getreidekörner hinein zu kommen. Wahrscheinlich lohnt es sich, die Körner länger vorzukochen, so dass viele platzen.
Noch kurz zur Speisemorchel: Die hatte ich Ende April 2016 überraschend gefunden. Als ich an der S-Bahn-Station Hirschgarten (Berlin-Köpenick) ausstieg und nach Norden in den Wald lief, sah ich sie plötzlich unter einer großen Pappel zwischen kleinen Ziersträuchern stehen. Normalerweise haben wir hier in Berlin überall leicht sauren Sandboden, auf dem keine Speisemorcheln zu erwarten sind. Da die Stelle aber am Rand einer Brachfläche war, auf der Baumaterialien gelagert wurden, ist es möglich, dass dort Kalk in den Boden gelangt ist. Hier mal ein Foto von damals:
Die Pilze hatte ich zuerst auf Papier und dann über dem Heizkörper getrocknet, was ich beim nächsten Mal irgendwie staubgeschützter machen würde. Gelagert wurden sie dann halbwegs dunkel in einem fest verschlossenen Glas bei Zimmertemperatur. Eventuell stand das Glas zuerst noch ein paar Tage offen in einer Box mit so einem kleinen Luftentfeuchter (mit Kalziumchlorid). Da bin ich mir leider nicht mehr ganz sicher.
So oder so, nach fünfeinhalb Jahren hatte ich eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass da noch Sporen keimen, aber überraschenderweise ließen sie sich nicht lange bitten. Die Kontis allerdings auch nicht. Beim ersten Versuch hatte ich zur Sicherheit ein extra großes Pizstück genommen, da wurde das arme Myzel in kürzester Zeit von Schleim überrannt, während das Pilzstück grün wurde. Mit winzigen Impfstücken klappte es dann besser.
LG, Carsten