Nährstoffe

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Mr. Myzel
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Nährstoffe

Beitrag von Mr. Myzel » Montag, 29. September 2014 13:14

Fragen über Fragen…;)

Pilze nehmen ja entsprechende Nährstoffe über Ihre Wurzeln auf.
Hat mal jemand versucht, entsprechende Nährstoffe flüssig hinzuzufügen? Soweit ich weiß, funktioniert ja die ganze Tomatenzucht entsprechend mit Nährstofflösungen.
Oder gibt es etwas, das dagegen spricht?

Grüße
:wink:
Christoph1988
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Christoph1988 » Sonntag, 12. Oktober 2014 00:32

Wenn ich mich recht erinnere, hat hier mal jemand einen Schwamm in Nählösung getaucht, sterilisiert und dann beimpft. Was ziemlich gut funktioniert hat. Bei dem Versuch frische Nährlösung zu infundieren hat es dann aber konterminationsprobleme gegeben.

An sich ist dei Idee ziemlich gut und ich habe sie auch schon etwas weiter gesponnen. Prinzipiell müsste man eine anorganische Matrix wie einen Schwamm oder einen Seramisblock in Nährlösung tränken und dann steril inkubieren. Um den Pilz jetzt dauerhaft am Leben zu erhalten, müsste man im Inneren eine Blase schaffen, in die man die frische Nährlösung infundiert und ggf. Stoffwechselprodukte abtransportiert. Ein Problem dabei ist, dass der Pilz eventuell in die Blase einwächst und diese ausfüllt. witerhin darf die Nährlösung nur in de Blase selbst austreten und nicht an den Zusagsstellen, sonst hat man eine super Eintrittspforte für Konterminationen.
Ein Möglichkeit wäre z.B. eine Art Dialyseschlauch, dessen Poren groß genug sind um Nährstoffe diffundieren zu lassen, aber gleichzeitig kleingenug um ein Einwachsen des Mycels zu verhindern. Der Auslassschlauch müsste letztendlich noch in ein Glas Ethanol oder Wasserstoffperoxid geführt werden um eine Kontermination "von hinten" zu vermeiden.
alles in Allem nicht ganz einfach, aber auch nicht unmöglich.

Viele Grüße
Christoph
Mr. Myzel
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Mr. Myzel » Sonntag, 12. Oktober 2014 09:09

Hallo Christoph,

danke dir für deine Antwort.
Klingt alles interessant.

Wie wäre das denn, wenn man jeweils tropfenweise Nährlösung auf das Myzel tropfen lässt?
Da dieses dann sehr schnell vom Pilz aufgenommen wird, reduziert sich doch das Risiko anderer Kontaminationen.

Welche Nährlösung wurde denn hier verwendet und wie wurde die denn hergestellt?

Einen Schwamm mit Nährstoffen in jedes Substrat zu packen ist vielleicht eine gute Idee und ein guter Anfang um zu beobachten, ob sich der Aufwand lohnt..

Grüße
:wink:
Christoph1988
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Christoph1988 » Sonntag, 26. Oktober 2014 19:19

Wenn ich mich richtig erinnere, sind die Konterminationen an der Einstichstelle aufgetreten. Warscheinlich, weil sich etwas Nährlösung durch Kappillarkräfte bis zur "unsterilen Oberfläche" hochgezogen hat. Aus diesem Grund wird das direkte Drauftropen von Nährlösung einen ähnlichen Effekt haben.
Das hängt natürlich primär von der verwendeten Nährlösung ab. Wenn ich eine hochwertige Komplettnährlösung wie MEA (Malzextrakt, Hefeextrakt, Pepton) benutze ist das optimal für meinen Pilz, aber vielleicht noch besser für andere Pilze. Nutze ich dagegen ein Minimalmedium wie Glucoselösung (darauf dürfte auch noch einiges wachsen) oder eine schwierigere Kohlenstoffquelle eine Stärke- oder Zellulosesuspension werde ich weitaus selektiver, büße aber Wachstumsgeschwindigkeit ein.

Es wurde auchmal mit anorganischer Brut experimentiert, wobei eine offenporige organische Matrix wie Seramis in Nährlösung getaucht und dann beimpft wurde. Das schien recht gut geklappt zu haben. Theoretisch könnte man die Idee weiterspinnen und einen kompletten Substratblock aus Seramis machen, welcher mit Nährlösung oder besser Nähragar getränkt ist.
Bei beiden Varianten denke ich, dass es das Beste ist, die Nährlösung tief ins Substrat zu spritzen und dafür zu sorgen, dass davon nicht an die unsterile Oberseite gelangt.

In der Zellkultur bzw. den Tissue Engineering ist es so, dass die Zellen nicht nur Nährstoffe verbrauchen sondern auch Stoffwechselprodukte herstellen, die ab einer Gewissen Konzentration das Wachstum einschränken bzw. die Zellen irgendwann sogar töten. Aus diesem Grund wechselt man bei statischen Kulturen regelmäßig das Medium oder benutzt wie in meinem ersten Post beschrieben Perfusionssysteme, bei denen frisches Medium kontinuierlich zufließt (~1ml/h oder weitaus weniger) und das "alte" verbrauchte Medium dabei abfließt. Ich denke etwas ähnliches wäre bei einer Dauerkultur auch das Mittel der Wahl, wobei man dann alle 2-3 Wochen einen frischen Infusionsbeutel mit Nährlösung dranhängt und diesen über einen Zeitraum von 1-2 Tagen durchlaufen lässt.

Gruß
Christoph
Mr. Myzel
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Mr. Myzel » Sonntag, 26. Oktober 2014 20:11

Hi Christoph,

Sehr cool.
Danke für deine vielen Infos! Das ist sehr informativ.

Naja, wenn ich an Kulturen denke, die in Folie eingepackt von der Decke hängen
und z.B. Austernpilze nur an kleinen Löchern in der Folie heraus-wachsen,
dann könnte man eine Nährlösung über einen sterilen Zugang herstellen..
Z.B. oben, über den Knoten ...

Vielleicht gibt es auch Nährstoffe, die noch besser dafür geegnet sind..
Machst du die pilzzucht hauptberuflich?

Viele Grüße
Mr. Myzel...
Christoph1988
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Christoph1988 » Montag, 27. Oktober 2014 21:06

Ja, an sowas ähnliches habe ich auch gedacht. Es stellt sich nur die Frage, ob das Mycel innen wasserdurchlässig ist. Falls ja, könnte man es oben infundieren und unten nen relativ einfachen Abfluss machen. Allerdings scheint mir das Mycel immer recht hydrophob zu sein, müsste man mal probieren.

Ansonsten ist ein Dialyseschlauch (Schlauch mit Poren, die Wasser und Nährstoffe durchlassen) auch nicht sonderlich teuer. Den Schlauch müsste man dann idealerweise wie eine Spule durch den Substratblock wickeln. Somit erhält man eine relativ große Kontaktfläche bei nicht zu großem Gesamtvolumen. Dann den Block (Seramis) in Nähragar tauchen, autoklavieren und inkubieren.
Für die ersten Erntewellen sollten die Nährstoffe im Agar reichen, sodass man nach der ersten Welle frisches Medium infundieren könnte. Eventuell macht es auch Sinn verschiedene Medien für Wachstums- und Erntephasen einzusetzen oder sogar die Fruchtifikation gezielt duchs Medium auszulösen. Aber das sind Sachen, die erst Sinn machen, wenn man eine funktionierende Kultur hat.

Malzextraktagar ist eigentlich das in der Wissenschaft am meisten benutzte Substrat für Pilze daneben gibt es noch ein paar andere spezielle Nährlösungen/Agarrezepte wie Sabouraud-Agar, Kimming-Agar, Kartoffel-Dextrose-Agar, Chromagar, Reisagar, Maismehlagar oder Nickerson-Agar, welche aber mehr für die Diagnostik entwickelt wurden.
Die Pilzzucht ist bei mir nur ein Hobby. Ich studiere aber aktuell Biosystemtechnik im dritten Mastersemester, sodass ich mit der ganzen Laborroutine doch recht gut vertraut bin, was einen nicht unerheblichen Vorteil darstellt.
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Reblaus » Montag, 27. Oktober 2014 22:09

Geht es ums Prinzip oder seht ihr spezielle Vorteile?
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Mr. Myzel » Dienstag, 28. Oktober 2014 16:45

Danke Christoph1988 für deine Antwort.
Ist super interessant, was andere so für Kenntnisse und Betrachtungsweisen haben.

Biosystemtechnik klingt auch interessant. Dann bist du bei Pilzen ja richtig :wink: und die
Pilze bei dir auch .. :lol: und mit Petrischalen und sterilem Arbeiten hast du kein Problem..
Ziemlich cool!

Klingt alles sehr interessant.
Ich habe aktuell keine Kulturen die passen, um das Beschriebene mal zu testen.
Ich werde das aber mal nachholen..
Muss dazu mal nach so einem Dialyseschlauch schauen.. Aber das ist sicherlich eine gute Lösung,
wenn man nichts findet um im inneren des Pilzes etwas halbwegs steriles zu verwenden.

Deine Idee, unterschiedliche Nährlösungen zu verwenden, um z.b. die Fruchtung auszulösen
finde ich extrem cool.


@Reblaus
Naja, geht mir um beides.
Wenn man eine funktionierende Lösung hätte, dann könnte man sich das Wechseln von Substrat sparen...

GRüße!
:wink:
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Reblaus » Dienstag, 28. Oktober 2014 19:25

Hallo,
Deine Bastelfreude kann ich gut nachvollziehen.
Im Baumarkt habe ich neulich Gartenschläuche aus Kunststoff-Fasern gesehen. Die werden zur direkten Pflanzenbewässerung in wurzelnaehe verwendet. Die sind formstabil, leicht zu beschaffen, vermutlich autoklavierbar (PP??) und sind günstiger als Dialyseschlauch. Die kann man bestimmt in Substratbloecke integrieren, zur Bewässerung bei mehreren Erntewellen z.B..

Welche Art von Dialyseschlauch meinst du eigentlich? Ich kenne den, der in der Proteinbiochemie unter anderem zum umpuffern rekombinanter Fusionsproteine verwendet wird. Dise Art muss vor Benutzung eingeweicht werden und ist dann unsteriel. Ausserdem sind die ziemlich labberig und deswegen meiner Meinung nach mit festen Substraten schlecht kombinierbar. Meinst du die?

Wenn du mit fluessigem Naehrmedium arbeiten willst und noch keine geeignete Pilzsorte hast, kann ich dir die Portweinhefe sehr empfehlen oder eine gute Sorte obergaerige Bierhefe :-). Letztere wächst gut in Lösungen die Malzextrakt enthalten. Das Substrat kannst du am Ende sogar komplett konsumieren ;-).

Vg
Mr. Myzel
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Mr. Myzel » Mittwoch, 29. Oktober 2014 15:44

Hallo Reblaus,

danke für deine Antwort.
Man sieht schon an deinem Bild, dass du gaerigen dingen nicht abgeneigt bist. 8).

Jep, wenn man durch eine "Bewässerung" mehrere Erntewellen bekommen könnte, dann wäre
das ziemlich cool.

Das ganze Thema mit den flüssigen Nährmedien ist mir ziemlich neu, aber klingt sehr spannend..

Ist schon mal interessant, dass das Prinzip theoretisch funktionieren müsste. Bei Gelegenheit
werde ich mal nach einer praktischen Lösung schauen...


Danke und
Grüße
:wink:
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Christoph1988 » Freitag, 31. Oktober 2014 17:44

Hallo Reblaus,
schön, dass du dich der Diskussion anschließt. Was machst du beruflich, wenn du dich mit Proteinbiochemie auskennst?

Das sind übrigens die Dialyseschläuche an die ich gedacht habe. Wir haben die im Labor in verschiedenen Ausführungen. Da sind auch festere dabei, was aber egal sein sollte, wenn man sie vor dem Sterilisieren flüssigkeitsgefüllt ins Substrat einlegt. Die Frage ist eher, ob sie autoklavierbar sind.
Die Idee kam mir, da ich mich momentan etwas mit Tissue Engineering beschäftige, wo man u.a. Endothelzellen auf einem Filter kultiviert und auf beiden Seiten unterschiedliches Medium durchpumpt um eine Differenzierung zu erreichen. Für den Pilz ist es jedoch eher untypisch flüssiges Medium zu bekommen, weshalb er kein Abschlussgewebe zum Schlauch aufbauen wird, sondern warscheinlich eher versucht in den Schlauch hineinzuwachsen. Durch den Dialyseschlauch kann er nicht durch, wird ihn aber vermutlich umwachsen und ähnlich wie bei den Aveolen der Lunge einen aktiven Austausch von Nährstoffen und Metaboliten durchführen.
Ein Bewässerngsschlauch hat vermutlich zu große Poren, in die das Mycel eindringt und den Schlauch verschließt. Dem könnte man eventuell mit einem kontinuierlichen Fluss von zirkulierendem Medium entgegen wirken, was aber auch nicht einfach ist.

Flüssigkultur mit S.cerevisae kann man machen, reizt mich persönlich jedoch nicht so. Abgesehen von Bier brauen im kontinuierlichen Betrieb im Chemostat-Bioreaktor, aber das hat bisher noch niemand hinbekommen.

@Mr.Mycel
ich habe noch Shii-take und Kräuterseitling-Kulturen da. Davon kann ich dir gern 1-2 Petris zukommen lassen.
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Reblaus » Freitag, 31. Oktober 2014 20:47

Hi Christoph,

ich bin Biochemiker.

Flüssigkultur wird bei Schimmelpilzen schon im großen Stil gemacht, z.B. Aspergillus niger bei der Zitronensaureherstellung, glaub ich in Chemostat-Kultur. Hab die Bücher nicht mehr und ist schon eine Weile her.

schau mal hier: http://www.scienova.com/xanario/celluse ... 524-3.html
"temperaturbeständig bis +90 °C"

VG
Zuletzt geändert von Reblaus am Freitag, 31. Oktober 2014 22:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Christoph1988 » Freitag, 31. Oktober 2014 21:27

Also quasi ein Kollege. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie viel Fachpublikum sich hier tümmelt.
Aber wer würde sonst auf die Idee kommen, Pilze unter Laborbedingungen zu züchten.
Das mit dem Chemostat ist gut zu wissen, allerdings fehlt mir momentan die Zeit, mich damit ernsthaft zu beschäftigen.

zu den Dialyseschläuchen: Roth hat autoklavierbare im Angebot:
http://www.carlroth.com/catalogue/catal ... &market=AT

Sie geben zwar eine maximale Autoklavierzeit von 15min bei 121°C an, aber ich denke, dass bei längerer Autoklavierzeit einfach die MWCO ansteigt, was uns in dem Fall ja relativ egal sein kann. Ich würde es einfach mal eine h bei 113°C probieren. Das sollten sie locker aushalten.
Mal sehen, vielleicht haben wir davon noch welche im Labor rum zu liegen. 30m wollte ich mir davon jetzt nicht kaufen.

Gruß
Christoph
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Reblaus » Freitag, 31. Oktober 2014 22:33

Hi,

zeigst ausserordentlichen Forschergeist ;-).
Dann der hier: "Aus regenerierter Cellulose." http://www.carlroth.com/catalogue/catal ... &market=AT

VG
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Re: Nährstoffe

Beitrag von Reblaus » Freitag, 31. Oktober 2014 22:42

Das geht dann in Richtung Bioplastik. Ich glaube hier hat auch noch niemand gepostet, ob man die biologisch abbaubaren Müllbeutel als Bag verwenden kann oder die zu schnell „zerfressen“ werden.
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