Schwefelporling-Experiment

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Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Samstag, 28. Januar 2023 00:57

Hallo zusammen,

da scheinbar nur wenige Strains vom Schwefelporling in Gefangenschaft fruchten und sie auch besondere Substratansprüche haben, dachte ich, ich teste zuerst mal die Fruchtungsbereitschaft meiner beiden Myzelien im kleinen Maßstab.
Dazu hatte ich vor ein paar Tagen folgendes Substrat angemischt:
80g Buchenspäne
30g Eichenpellets
55g Weizenkleie
55g Polenta
Bei einer angenommenen Feuchtigkeit von 10% waren 180ml Wasser nötig, um auf insgesamt 50% zu kommen.
Das Substrat wurde dann auf vier Gläser verteilt und sterilisiert.

Geklont hatte ich 2021 und 2022, jeweils im Herbst. Seitdem lümmeln die Myzelien auf MEA bzw. MEYA mit Eichensud herum.
Am 08.01.2023 bekam dann jeder Strain zwei Gläser zugeteilt. Einer wuchs sofort ein, der andere musste erstmal aufwachen. Jetzt hängt er ein paar Tage hinterher.
Wie erwartet, raste das Myzel zuerst fast unsichtbar durch das Substrat, um sich dann immer mehr zu verdichten.
Das ist der Stand von heute.
Das ist der Stand von heute.
Der weitere Plan ist, nach vier bis fünf Wochen 10 ml steriles Wasser in so ein Glas zu injizieren und zu beobachten, was dann passiert. Wenn überhaupt etwas passiert...

Grüße, Carsten


PS:
Links zu erfolgreichen Fruchtungen:
  • Successful large-scale production of fruiting bodies of Laetiporus sulphureus (Bull.: Fr.) Murrill on an artificial substrate,
    Małgorzata Pleszczyńska 1, Adrian Wiater, Marek Siwulski, Janusz Szczodrak, Lublin, 2012
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23229287/
  • Von der ersten mir bekannten erfolgreichen Indoor-Fruchtung ca. 2010 gibt es leider keine Beschreibung mehr. Es finden sich bloß noch zwei Bilder im Netz:
    http://www.360eden.com/kmehin/
ohkw
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von ohkw » Samstag, 28. Januar 2023 02:09

Ich finde es immer wieder spannend zu den, sagen wir mal noch nicht vollständig verstandenen Pilzarten, Berichte über Kultivierungsversuche zu lesen. Beim Schwefelporling scheint es ja so zu sein, dass er vorzugsweise am lebenden Holz fruchtet. D.h. er "labt" sich vermutlich am Saftstrom des Baumes was auch zumindest grob zu den "organic supplements" passt die in der Literatur angeführt werden.
Wenn ich einen Schuss ins Blaue abgeben dürfte, würde ich mal versuchen Dextrin ins Substrat zu mischen und vor allem im Fruchtungssetup nochmal gesondert zuzuführen.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Samstag, 28. Januar 2023 21:47

ohkw hat geschrieben: Samstag, 28. Januar 2023 02:09 Beim Schwefelporling scheint es ja so zu sein, dass er vorzugsweise am lebenden Holz fruchtet. D.h. er "labt" sich vermutlich am Saftstrom des Baumes was auch zumindest grob zu den "organic supplements" passt die in der Literatur angeführt werden.
Ja, der hohe Nährstoffbedarf spricht natürlich erstmal dafür, jedoch kann der Schwefelporling auch anders. An Totholz finden oft noch jahrelang üppige Fruchtungen statt.

Sowohl an lebenden, wie auch an toten Bäumen, Fruchtkörper erscheinen immer dann, wenn es nach vorheriger Trockenheit heftig geregnet hat. Daher favorisiere ich einen physikalischen Fruchtungsreiz.

ohkw hat geschrieben: Samstag, 28. Januar 2023 02:09 Wenn ich einen Schuss ins Blaue abgeben dürfte, würde ich mal versuchen Dextrin ins Substrat zu mischen und vor allem im Fruchtungssetup nochmal gesondert zuzuführen.
Das würde ich später auch gern testen, jedoch hatte ich bisher eher Stickstoffverbindungen und Vitamine im Sinn. Dachtest du an Dextrin als Energielieferant, der osmotisch harmloser ist als Zucker?
Bei fast 20% Stärke im Substrat würde ich denken, dass sowieso viel Dextrin vorhanden ist.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von ohkw » Samstag, 28. Januar 2023 23:06

Je nachdem wie der Schwefelporling die vorhandene Stärke zerlegt und aufnimmt. Ich hatte dabei an die Oligosaccharide im Baumsaft gedacht und Dextrin ist ein kostengünstiges Oligosaccharid das mit etwas Glück passt ^^
Die andere Hypothese von der ich beim "Fruchtungsreiz" ausgehe, ist dass der Pilz versucht einen Zeitpunkt für die Fruchtung zu "wählen" an dem die Sporen passende Beingungen für eine Kolonisierung vorfinden, d.h. das "Nahrung" vorhanden ist. Kann der Schwefelporling besser Bäume besiedeln die im Saft stehen oder umgekehrt, wie bei der Auster? Ich vermute mal die im Winter fruchtenden Baumpilze nutzen das reduzierte "Immunsystem" der Bäume in der Winterruhe aus... aber alles reine Spekulation.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Sonntag, 29. Januar 2023 01:09

ohkw hat geschrieben: Samstag, 28. Januar 2023 23:06 Je nachdem wie der Schwefelporling die vorhandene Stärke zerlegt und aufnimmt. Ich hatte dabei an die Oligosaccharide im Baumsaft gedacht und Dextrin ist ein kostengünstiges Oligosaccharid das mit etwas Glück passt ^^
Ach so. Beim Stichwort Baumsaft denke ich zuerst an Ahornsirup. Den müsste man aber stark verdünnen, sonst ist es zu viel Zucker. Dextrin dagegen lässt sich bestimmt höher konzentriert einsetzen.
ohkw hat geschrieben: Samstag, 28. Januar 2023 23:06 Die andere Hypothese von der ich beim "Fruchtungsreiz" ausgehe, ist dass der Pilz versucht einen Zeitpunkt für die Fruchtung zu "wählen" an dem die Sporen passende Bedingungen für eine Kolonisierung vorfinden, d.h. das "Nahrung" vorhanden ist. Kann der Schwefelporling besser Bäume besiedeln die im Saft stehen oder umgekehrt, wie bei der Auster? Ich vermute mal die im Winter fruchtenden Baumpilze nutzen das reduzierte "Immunsystem" der Bäume in der Winterruhe aus... aber alles reine Spekulation.
Ich gehe von einer ausschließlichen Infektion lebender Bäume während der Wachstumsphase aus. Beim oben erwähnten Totholz sieht es für mich immer so aus, als ob der Schwefelporling schon zu Lebzeiten drin war. Bei der ausgeprägten Konkurrenzschwäche kann ich mir auch gar nicht vorstellen, dass auf Totholz keimende Schwefelporlingssporen sich überhaupt gegen irgendetwas durchsetzen können, auch wenn Hemmstoffe im Eichenholz ihr Wachstum stimulieren.
Bei der Fruchtung nach einem Wetterumschwung, der gern mit Temperatursturz, Sturm und Gewitter einhergeht, gibt es ja sicher viele frisch verletzte Bäume und es ist oft noch ein paar Tage feucht.
Der Haken daran ist allerdings, dass kleinere Sturmschäden eher in der Krone auftreten, während Schwefelporlinge sich scheinbar immer im unteren Stammbereich befinden. Zumindest fruchten sie immer in erreichbarer Höhe oder etwas darüber. Hm, bei Glucken heißt es ja, sie würden die Kiefern über die Wurzeln infizieren und dann in den unteren Stamm vordringen. Womöglich kommen Schwefelporlinge von oben?
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Sonntag, 05. Februar 2023 00:08

Einen Link hatte ich ganz vergessen. Vor zehn Jahren zeigte Atricoz im Shroomery-Forum Bilder von einem fruchtenden Schwefelporlingsbeutel. Besonders interessant war sein Substrat, nämlich ein verbrauchter Pioppinoblock mit Kleie.
https://www.shroomery.org/forums/showfl ... art/4/vc/1

In meinen Gläsern zeigen sich große Unterschiede. Der eine Strain ist im Substrat noch ein wenig dichter geworden, wächst immer höher wattig in die Luft und bekommt ganz langsam einen orangebaraunen Schimmer. Der andere wuchert nicht so stark. Dafür zeigen die winzigen Myzelkonoten hier und da deutlich orangerote Farben.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Donnerstag, 09. Februar 2023 13:58

In einem der beiden Gläser mit dem dichten Myzel habe ich vorgestern Abend 10ml kaltes Wasser ins Substrat gespritzt. In den dicht besiedelten, aber immer noch sehr lockeren Substrat hat sich das Wasser schnell verteilt. Jetzt bin ich gespannt, ob sich in den kommenden Tagen irgendetwas tut.
IMG_20230209_125619_klein.jpg
Beim anderen Glas will ich noch ein paar Tage schauen, ob das Myzel vielleicht dunkler wird.

Danach habe ich das behandelte Glas und eines der anderen beiden an einen helleren Ort gestellt. Bei Licht haben sich dann gleich viel mehr orange Knötchen gebildet.
IMG_20230209_125643_klein.jpg

Hier will ich auch noch eine Woche mit dem Wasser warten. Vielleicht werden die Knoten ja größer?
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Mittwoch, 15. Februar 2023 00:05

Gestern Abend bekamen die restlichen drei Gläser ihre Injektion. Im ersten hat sich bisher nichts erkennbares getan. Die roten Knötchen wurden nicht größer aber es kamen ein paar neue hinzu.
IMG_0065_klein.jpg
IMG_0066_klein.jpg

Ach ja, einen Thread im Shroomery-Forum hatte ich ganz vergessen. Vor 10 Jahren hatte es Atricoz schonmal bis zu Primordien geschafft. Besonders interessant war sein Substrat, ein verbrauchter, getrockneter Pioppinoblock mit 10% Kleie.
https://www.shroomery.org/forums/showfl ... art/4/vc/1
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Freitag, 17. Februar 2023 23:03

Noch ist nichts passiert, allerdings haben sich einige der Knötchen in Löcher verwandelt, die sich mit Myzel füllen. Da hatte ich mich offensichtlich getäuscht, das Myzel des einen Strains scheint einfach nur unter Lichteinfluss eine rötliche Flüssigkeit abzusondern, also nix mit Myzelknoten und Vorstufen von Primordien, höchstens ein Zeichen von Fruchtungsbereitschaft.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von mariapilz » Samstag, 18. Februar 2023 10:46

Solange sich irgentetwas tut... ists gut.
Machst du das Glas denn sonst auch mal auf? Ich meine für Frischluft.

Der Birnbaum der Nachbarn worauf der schon mindestens die letzten 2 Jahre wächst steht quasi alleine da. Superviel Frischluft, dadurch hält sich auch die Luftfeuchtigkeit sehr in Grenzen.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Samstag, 18. Februar 2023 12:18

Stimmt, die Wachstumsunterschiede der beiden und die Show mit den bunten Punkten sind interessant und kamen völlig unerwartet, da das auf Agar nicht zu sehen ist.

Nach der Injektion hatte ich bloß die Alufolie nach oben geklappt und die Deckel so weit locker gedreht, dass sie sich ein bisschen angehoben haben. Die Gläser stehen jetzt in einer mäßig belüfteten und mäßig beleuchteten Box in der Wohnung. Für eine ordentliche Fruchtkörperbildung reicht das natürlich nicht, aber ich will hier bloß testen, ob sich die Myzelien nun einen Ausgang suchen, so wie sie in Beuteln erst zum und dann durch den Filter wachsen.
Da in der oben verlinkten Veröffentlichung der polnischen Mykologen beschrieben wird, dass bei ihnen bloß zwei von zwölf Schwefelporlingen so reagiert haben, ist es natürlich fraglich, ob es hier überhaupt dazu kommt.
Wenn nicht, bleibt noch ein Kälteschock auf dem Balkon.
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Re: Schwefelporling-Experiment

Beitrag von Mycelio » Dienstag, 04. April 2023 00:05

Kleines Update:
Als sich vier Wochen nach der Wasser-Injektion nichts getan hatte, kam je ein Glas von den beiden Schwefelporlingen über Nacht in den Kühlschrank, was aber auch nichts änderte.
Bisher hat keines der Myzelien versucht, aus den Gläsern heraus zu wachsen.

So sehen sie momentan aus:
IMG_20230404_004002_klein.jpg
Von den orangeroten Punkten ist kaum noch etwas zu sehen.

IMG_20230404_003741_klein.jpg
Hier ist das Myzel mit der Zeit dunkler geworden. Auch dieser Strain sonderte irgenwann Flüssigkeit ab, aber braun und nur über dem Substrat. Vor ein paar Wochen ist das Luftmyzel kollabiert. An einigen Stellen wächst es nun wieder nach, aber nur schwach.
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