Kann man Mycel beliebig oft/lange vermehren ?

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Kann man Mycel beliebig oft/lange vermehren ?

Beitrag von Bachstelze » Montag, 19. November 2012 14:44

Hallo an alle !

Als absoluter Anfänger frage ich mich: kann man Mycel eigentlich beliebig oft/lange vermehren ? Mal vorausgesetzt, man fängt sich keine Kontamination ein.

Ich hatte eigentlich die Vorstellung, dass Mycel zugeführtes Substrat auch besiedelt, dass man so also die Vermehrung mit der Substratzugabe selbst in der Hand hat. Nun lese ich aber von vitalem, weniger vitalem, keimfreudigen, müdem etc. Mycel. Lässt die Vitalität mit dem Alter nach ? Wie muss ich mir das vorstellen ?

Danke für Eure Antworten
Gruß
Klaus
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Re: Kann man Mycel beliebig oft/lange vermehren ?

Beitrag von Buchhalter » Montag, 19. November 2012 15:16

Hallo Klaus,

ich bin ja selber Anfänger, habe aber schon sehr viel hier im Forum gelesen und würde folgendes sagen.

Wenn die Rahmenbedingungen für den Pilz passen, also Temperatur, Luftfeuchte, Standort (hell/dunkel), das Substrat gut durchwachsen ist und du dieses mit z.B. fermentiertem Stroh 1:1 mischt, und du dir wirklich keine Kontis einfängst, sollte einer Vermehrung nichts im Wege stehen.
Wie lange das geht, weis ich aber auch nicht.

Da werden sich sicherlich noch Fachleute zu Wort melden.
Übrigens habe ich das gerade oben geschriebene in den nächsten Tagen selber vor, das erste mal.

Grüße aus der Oberpfalz
Gerhard
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Re: Kann man Mycel beliebig oft/lange vermehren ?

Beitrag von Mycelio » Montag, 19. November 2012 22:48

Hallo ihr beiden,

bei Pilzen altern die Zellkerne und zwar ein klein wenig mit jeder Zellteilung. Irgendwann können sie sich nicht mehr teilen und dann wächst das Mycel nur noch schwach oder gar nicht mehr weiter und fruchtet nicht mehr. Die meisten Pilzarten habe aber Strategien gegen diesen Effekt. Näheres könnt ihr z.B. hier nachlesen,
viewtopic.php?f=6&t=2306
viewtopic.php?f=6&t=1128
wobei im ersten Thread der Fragesteller seine Beiträge gelöscht hat.
Bei Berichten von altersschwachen Mycelien handelt es sich nach meiner Einschätzung fast immer um Kutivierungsfehler, wobei das Mycel durch Sauerstoffmangel, hohe Temperaturen, Mangelernährung oder Kontaminationen dauerhaft geschädigt wurde.

Grüße, Carsten
boule
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Re: Kann man Mycel beliebig oft/lange vermehren ?

Beitrag von boule » Montag, 26. November 2012 11:27

Also, fassen wir mal zusammen. Bei der klonalen Vermehrung triffst Du auf zwei Probleme:

1) Die "Abnutzung" der Telomere
2) Das Auftreten von Spontanmutationen


1) Ist eigentlich ganz einfach zu erklaeren. An den Enden der DNA sind kleine Enden die sie zusammenhalten welche man Telomere nennt und ein Aufheddern verhindern. Bei jeder Vervielfaeltigung wird sich nun das das Telomer verkuerzen. Stell es Dir einfach vor wie eine Rolle Klebeband - jedesmal wenn Du das Buch zum lesen aus dem Karton nimmst musst Du nacher, wenn Du es wieder reinlegst, den Karton zukleben und irgendwann ist die Klebebandrolle halt alle. Entweder kaufst Du Dir eine neue Rolle - in der Natur dann Telomerase genannt - oder das Buch wird wohl oder uebel verstauben. Da Pilze ausser in den Sporen keine aktive Telomerase haben werden wohl die Pilzzellen irgendwann ein Problem haben. Wie schnell das passiert ist eine ganz andere Frage. Bei meinen HEC 239 Zellinien passiert das zum Beispiel gar nicht weil sie eine aktive Telomerase haben, bei primaeren humanen Zellinien nach 4-5 Passagen in Kultur. Pilze sollten "eigentlich" merklich laenger ueberleben, einen wirklichen Wert aus Erfahrung kann ich Dir aber nicht geben.
Begegnen kann man diesem Problem nur, indem man sich von Zeit zu Zeit neues Material beschafft oder eben eine Vermehrung aus Sporen vornimmt. Alternativ koennte man natuerlich auch Pilzzellen immortalizieren, aber dazu muesste das Pilzgenom und dessen Funktion bekannt sein.

2) Ist eigentlich ein groesseres Problem dem man auch nur schwer beibekommt. Bei der klonalen Vermehrung einer Zelle kommt es immer wieder zu ein paar "Schreibfehlern" beim Kopieren der DNA. Das kann etwas ganz banales sein das die Zelle nicht phaenotypisch veraendert, das kann aber auch viel komplexere Ausmasse haben die dann eben ein paar Eigenschaften der Zelle veraendern. Im schlimmsten Fall kann das fuer das Ueberleben der Zelle nachteilig sein weil sie z.B. ein defektes Enzym hat und nun einen Naehrstoff nicht mehr aufspalten kann.
Eine dieser Zellen im grossen Mycelverband waere ja noch kein Problem aber wenn jetzt so ein dummer Mensch daherkommt und die Zelle aberntet und auf ein neues Substrat setzt damit sie sich klonal vermehrt.... naja, Katastrophe vorprogrammiert.
Rein praktisch gesehen nimmt man im Labor bei der klonalen Vermehrung immer mehrere Klone ab und verwendet den Vitalsten bzw. verwirft die die suboptimal gedeihen.
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